Offene Bildung für das Well-Being



A man walking in the shadow on a moutain at dawn, with clouds on the background.

Beatrix Busse ist Professorin für Englische Sprachwissenschaft und Prorektorin für Studium und Lehre an der Universität zu Köln, Deutschland. Beatrix ist außerdem Chief Development Officer für die EUniWell Allianz.

Arnaud Guével ist Vizepräsident für Lernen, Lehre und offene Bildung an der Universität Nantes, Frankreich. Er setzt sich sowohl in Nantes als auch bei EUniWell für eine offene Bildungspolitik ein.

Colin de la Higuera ist Inhaber des Unesco-Lehrstuhls für offene Bildungsmaterialien und künstliche Intelligenz an der Universität Nantes, Frankreich. Außerdem ist er Koordinator des UNOE-Netzwerks und des Themas Offene Bildung bei EUniWell.

Zwischen dem 3. und dem 27. März haben wir 23 gute Gründe für die Umsetzung von offener Bildung veröffentlicht. Kolleginnen und Freunde aus vier Kontinenten haben in acht Sprachen die von ihnen gewählten Gründe überzeugend dargestellt.

Unsere Leserinnen und Leser kennen eventuell weitere Gründe und einige sind möglicherweise sogar enttäuscht, dass diese nicht auf der Liste stehen. Wir möchten Sie daher ermutigen, die Liste fortzusetzen und Artikel einzureichen.

Im heutigen Beitrag werden wir für etwas plädieren, das wir einen „Meta-Grund“ nennen wollen. Hinter dieser Wortschöpfung verbirgt sich die Idee, dass Well-Being – für das wir uns einsetzen wollen – viele Aspekte umfasst, von denen einige bereits in den vorangegangenen 23 Artikeln angesprochen wurden.

Well-Being ist die Mission und Vision der europäischen Universitätsallianz EUniWell – The European University for Well-Being, die aktuell 11 Universitäten in 9 europäischen Ländern umfasst.

EuniWells Well-Being Ansatz ist ganzheitlich, multidimensional und zielt auf die Analyse und Verbesserung des individuellen, gesellschaftlichen und globalen Well-Beings ab. Er umfasst fünf zentrale Themenbereiche: Gesundheit und Well-Being, soziale Gerechtigkeit und Well-Being, der Wandel des Planeten und unserer Umwelt und Well-Being, Kultur, Mehrsprachigkeit und Well-Being sowie Lehrer*innenbildung und Well-being. Dies stellt keine Definition dar, aber so erhalten Sie einen Einblick in den Wirkungsraum von EUniWell. Wir definieren Well-Being als subjektives Welll-Being – also das subjektive Empfinden des Einzelnen – definieren und eine eudaimonische Note hinzufügen, was bedeutet, dass Well-Being auch beinhaltet, ein sinnvolles Leben zu führen.

Unser Ansatz und unser Konzept von Well-Being umfassen mehrere Dimensionen, die für offene Bildung und offenes Lernen sowie für Lehrende und Lernende relevant sind.

Konzentrieren wir uns zunächst auf die Perspektive der Studierenden und schauen uns  einige Aspekte an, die von Bedeutung sind: Zugang zu einem breit gefächerten Ansatz bezüglich der Themen, die sie studieren. Dieser Zugang ist kostenlos und das Lernmaterial ist offen, die Studierenden sind an der Entwicklung der Kurse und des Lehrmaterials beteiligt und sind damit in die universitäre Demokratie eingebunden.

Das Well-Being der Studierenden kann auch dadurch gesteigert werden, dass sie unkompliziert und sicher Material mit anderen Studierenden, überall auf der Welt austauschen und das Lernmaterial, auf das sie während ihres Studiums Zugriff hatten, in jeder Situation und in jedem Lebensabschnitt wiederverwenden können.

Well-Being bedeutet auch, dass man die besten Voraussetzungen hat, um Entscheidungen zu treffen. In einem offenen Umfeld kann dies bedeuten, dass erkennbar ist, worum es in einem Studium geht, und dass man umfassend über die Inhalte der Kurse informiert ist. Schon vor dem Studium bedeutet es, dass man Zugang zu den Ressourcen hat, die eine solche Entscheidung ermöglichen.

Das Well-Being der Lehrenden kann durch ein besseres Verständnis ihrer Aufgabe erreicht werden. Um ganz provokant zu fragen: Ist es die Aufgabe von Lehrenden, Wissen zu horten oder Wissen zu verbreiten? Eine eindeutige Frage? Nicht wirklich, wenn sich das von ihnen kokreierte Wissen auf Plattformen hinter Bezahlschranken befindet… Und wenn das von ihnen geschaffene Wissen nicht verbreitet werden kann, weil das Verständnis für die Lizenzierung fehlt, wie ist dann ein Austausch möglich?

Die Lehrenden wissen, dass es an ihrer Universität, in EUniWell und überall auf der Welt Studierende und andere Lehrende gibt, die dieses Wissen brauchen, dessen Entstehung ja oft mit öffentlichen Geldern finanziert wurde.

Frustration ist sicherlich kein Bestandteil von Well-Being, und doch gibt es heutzutage viel Frustration an Universitäten. Die Frustration der Lehrenden ist groß, weil sie kaum Anerkennung für ihre Arbeit erfahren. Zum Teil liegt das daran, dass diese Arbeit zu oft im Verborgenen stattfindet und nur von Studierenden gesehen wird. Die Öffnung der Bildung würde als Nebeneffekt dazu führen, dass pädagogische Aktivitäten sichtbar werden würden.

Lehrende und Studierende, die die englische Sprache nicht beherrschen, werden heute an Universitäten benachteiligt. Ihre Schwierigkeiten rühren nicht nur daher, dass sie nicht hart genug gelernt haben: Einige haben mehr Möglichkeiten zu reisen und Englisch zu sprechen als andere. Zum Well-Being sollte die Möglichkeit gehören, in der gewählten Sprache zu lernen und zu lehren. Heutzutage werden Werkzeuge entwickelt, die uns Möglichkeiten von mehrsprachigen Angeboten eröffnen. Dieser Blog ist nur ein Beispiel dafür. Die Tools, die auf künstlicher Intelligenz beruhen, sind unvollkommen und werfen ihre eigenen Fragen auf.

Dieselbe künstliche Intelligenz ist auch ein Grund für Ängste. Selbst diejenigen, die von ihren Vorteilen überzeugt sind, wissen, dass sie eine neue Situation schafft, die sowohl eine sorgfältige Betrachtung als auch rasche Antworten erfordert. Dies scheint ein Widerspruch zu sein, und im Zusammenhang mit der Lehre sind geschlossene Türen und ein Top-down-Management besonders problematisch. Offene Bildung bietet eine Alternative, bei der Wissen viel schneller und im gemeinsamen Interesse geteilt werden kann. Man denke an das Beispiel von Wikipedia. Die heutigen Erfahrungen im Umgang mit künstlicher Intelligenz und deren Nutzung werden viel horizontaler geteilt. Um dies zu tun, ist es gleichermaßen erforderlich zu wissen, wie Mechanismen des (Wissens-)Teilens funktionieren und offene Plattformen hierfür bereitzustellen.

Well-Being hat eine soziale Komponente, erfordert die Entwicklung kritischen Denkens und sollte auf Dauer angelegt sein. Dies sind einige der wichtigen Aspekte der Open-Education-Agenda, die in dieser Blogbeitrag-Reihe behandelt wurden. Lesen Sie sich diese gerne durch!

EUniWell, die European University for Well-Being, verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz zum Well-Being, der die individuelle, gesellschaftliche und ökologische Dimension umfasst. Diese Vision steht im Einklang mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen, insbesondere mit den Zielen für Gesundheit und Wohlergehen (3), hochwertige Bildung (4), Geschlechtergleichheit (5), Weniger Ungleichheiten (10) und Maßnahmen zum Klimaschutz (13). Die Hauptaufgabe von EUniWell besteht darin, das Wohlergehen des Einzelnen, unserer Gesellschaft und der Welt zu verstehen, zu verbessern, zu messen und zu fördern.

After the storm von Sidsel Sørensen für Fine Acts (CC-BY-NC-SA)

„Offene Bildung für Well-Being“ von Beatrix Busse, Arnaud Guével & Colin de la Higuera ist lizenziert unter CC BY 4.0